3.1 Alles unter Kontrolle?

1. Richtig oder falsch?

Ganze Klasse oder Halbklasse
Die Schülerinnen und Schüler lesen die beiden Situationen, die ein Dilemma beschreiben, und diskutieren anschliessend zu zweit die Fragen. Sie sollen sich überlegen, ob es für die beschriebenen Probleme je eine eindeutig richtige Lösung gibt.
Die Lehrperson sammelt im Klassenverband die Antworten der Schülerinnen und Schüler und diskutiert sie mit ihnen. Beim zweiten Problem steht das moralische Dilemma deutlicher im Vordergrund, da es hier keine vertretbare Lösung gibt. Die Schülerinnen und Schüler sollen aus der Diskussion für sich erschliessen, dass im Leben auch Problemsituationen existieren, bei denen aus ethisch-moralischer Sicht keine eindeutig richtige Entscheidung getroffen werden kann und die eine Abwägung verschiedener Faktoren erfordern. 
Auf dem Weg nach Hause nahm Mike die Abkürzung durch die Gartenwirtschaft, vorbei an den gut besetzten Tischen, und steuerte auf den Ausgang zu. Es war ein langer Tag in der Schule gewesen und er freute sich darauf, endlich nach Hause zu kommen. Plötzlich fiel ihm etwas auf. Aus dem Augenwinkel hatte er gesehen, dass etwas unter einen der Tische gefallen war.
Neugierig ging er näher und schaute nach. Dort lag, halb verdeckt von einer Serviette, ein zusammengefalteter Geldschein. Mike bückte sich und hob ihn auf. Es war ein 100-Euro-Schein! Sein Herz schlug schneller. So viel Geld hatte er noch nie in der Hand gehabt.
Gerade als er sich wieder aufrichtete, sah er, wie eine ältere Dame das Restaurant verliess. Er kannte sie vom Sehen. Sie wohnte in der alten Villa am Rande des Parks und fiel immer durch ihre elegante Kleidung und ihren teuren Schmuck auf. «Sie muss sehr reich sein», dachte Mike. War es ihr Geld, das er gefunden hatte? Wahrscheinlich. Aber würde sie den Verlust überhaupt bemerken? Mike zögerte. In seinem Kopf begann ein Kampf zwischen seinen Gedanken.
«Behalte das Geld», flüsterte eine Stimme in ihm. «Denk daran, was du dir davon alles kaufen könntest. Vielleicht sogar die coolen Turnschuhe, die du schon so lange haben wolltest.» Doch eine andere Stimme widersprach: «Das wäre nicht richtig. Stell dir vor, es wäre dein Geld, das jemand gefunden hat. Du würdest dich auch freuen, wenn man es dir zurückgeben würde.»
Mike stand unschlüssig da und drehte den Schein in seinen Händen. Sollte er der Frau nachlaufen? Was, wenn es gar nicht ihr Geld war? Dann würde er sich total blamieren. Andererseits, wenn es doch ihres war und sie es vermisste?
  • Wie soll Mike handeln?
  • Gibt es eine richtige Entscheidung? Warum soll er sich so entscheiden?
  • Was bedeutet seine Entscheidung für die ältere Dame?
  • Wie würde Mike handeln, wenn er die alte Dame persönlich gut kennt?
Lena betrat das Klassenzimmer und setzte sich auf ihren Platz. Sie war aufgeregt, denn heute würde ihr KI-Lehrer, den alle nur «Mr. Robo» nannten, die Ergebnisse des grossen Jahrestests bekannt geben. Dieser Test entschied darüber, welche beruflichen Möglichkeiten sie nach der Schule haben würde. Heute würde sich entscheiden, ob Lena ihren lang gehegten Traum, Ärztin zu werden, verwirklichen konnte.
Als Mr. Robo den Raum betrat, wurde es mucksmäuschenstill in der Klasse. Mit seiner freundlichen, aber etwas mechanischen Stimme begrüsste er die Schülerinnen und Schüler. «Guten Morgen, Klasse! Ich habe eure Testergebnisse ausgewertet und bin mit euren Leistungen sehr zufrieden.» Lena rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her. Sie hatte hart für diesen Test gelernt und hoffte, dass sich das auszahlen würde. Mr. Robo begann, die Ergebnisse zu verkünden und individuelle Empfehlungen auszusprechen.
«Max, deine Stärken liegen eindeutig im technischen Bereich. Ich empfehle dir eine Ausbildung zum Robotertechniker.» Max strahlte über das ganze Gesicht. Das war genau das, was er sich erhofft hatte.
«Sophie, du hast ein besonderes Talent für Sprachen bewiesen. Eine Karriere als Übersetzerin wäre genau das Richtige für dich.» Sophie lächelte zufrieden. Sie liebte die Arbeit mit Worten.
Dann war Lena an der Reihe. «Lena, deine Testergebnisse zeigen ein interessantes Profil. Du hast in vielen Bereichen gut abgeschnitten, aber es gibt auch einige kritische Schwächen in Chemie und Physik. Aufgrund deiner Schullaufbahn und deiner Testergebnisse kann ich dir leider nicht empfehlen, Medizin zu studieren. Ich schlage vor, dass du dich nach Alternativen im Gesundheitsbereich umsiehst.»
Lena war wie vor den Kopf geschlagen. Kein Medizinstudium? Sie hatte immer davon geträumt, Ärztin zu werden, aber laut Mr. Robo war sie dafür nicht geeignet. Konnte sie seinem Urteil trauen? Und was würden ihre Eltern dazu sagen?
In der Pause sprach sie mit ihrer besten Freundin darüber. «Ich weiss nicht, was ich tun soll», sagte Lena verzweifelt. «Ich wollte schon immer Medizin studieren, aber Mr. Robo meint, ich sei nicht dafür geeignet. Was, wenn er Recht hat? Aber andererseits, er ist nur eine Maschine. Darf er wirklich über meine Zukunft entscheiden?»
Ihre Freundin nickte nachdenklich. «Ich verstehe, was du meinst. Aber denk mal nach: Mr. Robo hat dich dein ganzes Schulleben lang begleitet. Er kennt dich besser, als jeder Lehrer es könnte. Und er hat Zugriff auf so viele Daten. Vielleicht solltest du ihm vertrauen.»
  • Ist der Roboter der bessere Lehrer und wieso?
  • Möchtet ihr, dass eine Maschine eure Leistungen beurteilt und über eure Berufswahl oder die weiterführende Schule entscheidet?

Auftrag 1

Ganze Klasse oder Halbklasse
Bei diesem Auftrag steht die Auseinandersetzung mit dem Begriff der künstlichen Intelligenz (KI) im Mittelpunkt. Ziel ist es, ein grundlegendes Verständnis dafür zu entwickeln, was KI ist, wie sie funktioniert und wo ihre Möglichkeiten und Grenzen liegen.
Dabei soll insbesondere die Problematik des Begriffs «Intelligenz» in Bezug auf Computertechnologien thematisiert werden. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich kritisch mit der Frage auseinandersetzen, inwiefern Maschinen tatsächlich intelligent sein können und worin sich künstliche von menschlicher Intelligenz unterscheidet.
Darüber hinaus sollen auch ethische Überlegungen angestellt werden, die sich aus dem zunehmenden Einsatz von KI-Systemen in verschiedenen Lebensbereichen ergeben. Die Lernenden sollen ein Bewusstsein dafür entwickeln, welche Verantwortung mit der Übertragung von Entscheidungen und Fähigkeiten an Computer einhergeht und welche gesellschaftlichen Konsequenzen dies haben kann.
Per KI mit Midjourney generiertes Bild
Heutzutage gibt es immer mehr digitale Anwendungen, bei denen eine intelligente Computersoftware für uns Entscheidungen trifft und uns so den Alltag erleichtert. Beispiele hierfür sind:
  • Wettervorhersage
  • Übersetzungssoftware
  • Navigationsassistent im Auto
  • Vorschlagsliste für Serien und Filmangebote bei Streamingdiensten wie z.B. Netflix
Die folgende Bildersammlung zeigt sieben KI-Anwendungen, denen wir im Alltag begegnen.
KI-Systeme basieren auf maschinellem Lernen, einem Prozess, bei dem Algorithmen anhand grosser Datenmengen trainiert werden. Diese Trainingsdaten ermöglichen es dem System, Muster zu erkennen und Regeln abzuleiten.
In der Anwendungsphase sammeln KI-Systeme kontinuierlich neue Daten. Diese werden mit den gelernten Mustern verglichen, um Entscheidungen zu treffen oder Prognosen zu erstellen. Die Qualität und die Quantität der verfügbaren Daten beeinflussen dabei massgeblich die Genauigkeit und Zuverlässigkeit des Systems.
Viele KI-Systeme speichern die während der Nutzung gesammelten Daten, um ihr Modell kontinuierlich zu verbessern. Dies ermöglicht eine stetige Optimierung der Leistung, wirft aber auch Fragen zum Datenschutz auf, da oft personenbezogene Informationen erfasst werden.
Die Lehrperson zeigt die Bilder über den Beamer. Sie knüpft an das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler an. Sie sollen sich anhand der folgenden Leitfragen zu den gezeigten Alltagsanwendungen äussern.
  • Was wisst ihr über diese Anwendungen? Wie funktionieren sie?
  • Wie treffen die intelligenten Computersysteme ihre Entscheidungen? Wie kommen sie zu den Ergebnissen?
  • Welche Vor- und Nachteile der Anwendung seht ihr?
Im Anschluss kann die Lehrperson anhand der Kopiervorlage 9 aufzeigen, welche Daten zum Training und bei der Nutzung von KI tatsächlich gesammelt und ausgewertet werden, und mit der Klasse die Auswirkung dieser KI-Systeme auf die Privatsphäre diskutieren.
All diese Anwendungen basieren auf sogenannten intelligenten Computersystemen. Der Begriff «künstliche Intelligenz» ist jedoch abstrakt und für die Schülerinnen und Schüler schwer fassbar. Die Lehrperson zeigt dem Klassenverband ein Lernvideo, welches den Begriff der Altersstufe entsprechend erklärt:
Hinweis: Der folgende Film wird in Youtube geöffnet. Per Klick auf das Bild akzeptieren Sie, dass YouTube Ihre IP-Adresse registriert und Cookies auf Ihrem Gerät speichert.

2. Zwei Seiten einer Medaille

Gruppenarbeit

Erfindungen im Check

Bild: Theron Trowbridge
Die Plüsch-Robbe (auch Therapie- oder Pflege-Robbe) ist ein künstlich intelligenter Roboter. Sie wird unter anderem in der Pflege von älteren oder kranken Menschen eingesetzt. Die niedliche Robbe reagiert auf Berührungen, Bewegungen und Sprache der Menschen mit beruhigenden Geräuschen, Kopfnicken oder einem Lächeln. Die Plüsch-Robbe soll dadurch den pflegebedürftigen Menschen Trost spenden, sie unterhalten und ihnen schöne Momente oder Erlebnisse ermöglichen.
Bild: fancycrave1 (via Pixabay)
Eine Smartwatch ist eine elektronische Uhr mit verschiedenen Funktionen. Die Smartwatch kann mit einem Smartphone und weiteren Geräten verbunden werden und Benachrichtigungen und Anrufe anzeigen und empfangen (Telefonanrufe, Textnachrichten, E-Mail ...). Neben der Zeitanzeige verfügt sie über Funktionen im Bereich Gesundheit und Fitness (Pulsmesser, Schrittzähler …), Navigation, Apps (Wetter, Musik, Kalender ...) und Sprachsteuerung (Funktionen mit Sprachbefehlen steuern).
Ein selbstfahrendes Auto ist ein Fahrzeug, das fähig ist, sich selbstständig von einem Ort zum andern zu bewegen, ohne dass ein Mensch es steuert. Mit verschiedenen Sensoren nimmt das Fahrzeug seine Umgebung schnell und detailliert wahr und eine Computersoftware steuert das Fahrzeug und reagiert auf Verkehrssituationen.
Bild: Gerd Altmann (via Pixabay)
Ein Smarthome ist ein intelligentes Gebäude, welches mit verschiedenen Geräten, Sensoren und Technologien ausgestattet ist, um die Sicherheit zu erhöhen und den Alltag der Hausbewohnenden komfortabler und effizienter zu gestalten (z.B. automatische Türschlösser, Videoüberwachung, Steuerung der Beleuchtung, der Raumtemperatur und des Energieverbrauchs …). Über intelligente Lautsprecher können die Bewohnenden mit Sprachbefehlen verschiedene Funktionen im Haus steuern (Licht ein- und ausschalten, Türen öffnen und schliessen, Geschirrspüler starten …).
Je eine Gruppe recherchiert zu einer der vier «intelligenten» Erfindungen. Bei der Recherche halten die Schülerinnen und Schüler ihre Ergebnisse zu den folgenden Fragen fest:
  • Für wen ist die Anwendung vor allem gedacht?
  • Welche Möglichkeiten und Funktionen bietet die Anwendung, die mit künstlicher Intelligenz funktioniert, den Nutzenden?
  • Wo liegen die Vor- und Nachteile der «künstlich intelligenten» Erfindung?
  • Welche Einsatzmöglichkeiten sind deiner Meinung nach begrüssenswert und welche kritisch?
  • Welche Daten werden erfasst?
Abschliessend gestalten die Gruppen mit den erarbeiteten Informationen einen kurzen Podcast, in dem die Erfindung genauer vorgestellt wird und die Chancen und Risiken des intelligenten Gegenstandes erläutert werden. Der Audiobeitrag darf nicht länger als 2 Minuten sein. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich auf die wichtigsten Informationen beschränken. Die Lehrperson unterstützt sie in diesem Prozess und bespricht die Auswahl der Informationen mit den einzelnen Gruppen. Vor der Audioaufnahme schreiben die Schülerinnen und Schüler zuerst den Text auf und üben, ihn flüssig und natürlich zu sprechen.
Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten in Kleingruppen eine Idee für eine KI-Anwendung, die sie sich in der Zukunft wünschen (z.B. Flugtaxi, Datingplattform, die mir durch die Gesichtserkennung interessante Partnerinnen und Partner vorschlägt …). Eine Bedingung ist, dass die zukünftige intelligente Technologie über eine Kamera und/oder ein Mikrofon verfügt, mit denen die Informationen aus der Umgebung aufgezeichnet, gespeichert und anschliessend verarbeitet werden.
Die Schülerinnen und Schüler beschreiben auf einer Folie oder einem Plakat ihre Erfindung und führen auf, welche Potenziale diese mit sich bringt und welche kritischen Aspekte in Bezug auf den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre zu bedenken sind.
Damit die eigene Entwicklung der Idee methodisch unterstützt werden kann und nicht zu viel Zeit für diesen Arbeitsschritt beansprucht wird, könnten Beispiele vorgegeben oder die kreativen Prozesse mit Wortgruppen ausgelöst werden. Jede Gruppe erhält ein Adjektiv und zwei Nomen. Mit diesen Wörtern sollen sie ihre Idee kreieren (z.B. fliegend, Rucksack, Schule = der fliegende Schulrucksack).
Abschliessend vergegenwärtigen sich die Schülerinnen und Schüler, wo sie persönlich in ihrem Lebensalltag auf Dilemma-Probleme stossen. In Kleingruppen diskutieren sie eigene Situationen oder Problemstellungen, bei denen sie Schwierigkeiten haben, sich zu entscheiden, und sich nicht sicher sind. Sie halten ein bis zwei Situationen schriftlich auf Papierkarten fest. Die Karten werden gesammelt, aufgehängt und von den Schülerinnen und Schülern kurz vorgestellt.

Methodisches Setting: Think-Pair-Share

«Think-Pair-Share» ist eine kollaborative Lehrmethode, die häufig im Unterricht eingesetzt wird, um das aktive Lernen und die Beteiligung der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Die Methode besteht aus drei Phasen:
  1. Think (Nachdenken): Die Lehrperson stellt eine Frage oder präsentiert ein Problem. Die Schülerinnen und Schüler bekommen Zeit, um individuell darüber nachzudenken und sich Notizen zu machen.
  2. Pair (Austauschen): Die Schülerinnen und Schüler bilden Tandems und tauschen ihre Gedanken und Ideen zu zweit aus. Sie diskutieren ihre Ansätze, vergleichen Notizen und vertiefen ihr Verständnis durch den Austausch.
  3. Share (Teilen): Nach der Paararbeit werden die Ergebnisse im Plenum geteilt. Die Paare stellen ihre Überlegungen der gesamten Klasse vor, was zu einer breiteren Diskussion und einem tieferen Verständnis des Themas führen kann. Die Lehrperson moderiert die Diskussion und gibt bei Bedarf zusätzliche Informationen.