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2.1 Wimmelbild «Pausenplatz»

Wimmelbild «Pausenplatz»
Ablauf der Unterrichtssequenz
Wimmelbild (doppelklicken zum Vergrössern)
  • Das grosse Wimmelbild wird den Kindern vorgestellt. Je nach technischen Möglichkeiten kann dies am Beamer, auf einem Tablet oder in ausgedruckter Form geschehen.
  • Auf dem Wimmelbild sind einige Situationen zu finden, die anregen, über das Thema «Geheimnisse» nachzudenken (unter «Situationen und Hörtexte»).
  • Die Kinder haben Zeit, sich in Ruhe auf dem Bild umzusehen, Personen und Szenen zu entdecken.
  • Nach der ersten Austauschrunde über ihre Entdeckungen auf dem Bild werden einzelne Szenen ausgesucht, die mit den Kindern besprochen werden.
  • Zu jeder Situation stehen ein kurzer beschreibender Text sowie jeweils eine Tondatei zur Verfügung, die gemeinsam angehört werden kann.
  • Im Anschluss können mit den Kindern folgende Fragen diskutiert werden:
  • Was ist das Geheimnis des Kinds?
  • Geht es dem Kind mit dem Geheimnis gut?
  • Warum / warum nicht?
  • Soll es das Geheimnis für sich behalten?
  • Bei belastenden Geheimnissen: Warum hat Kind den Auftrag bekommen, das Geheimnis nicht weiterzuerzählen?
  • Ist es gut, dieses Geheimnis zu wahren?
  • Wann ist es sinnvoll, dass man Geheimnisse doch mit jemand anderem bespricht? 
  • Was kann das Kind in der Situation machen, bei wem kann es sich Hilfe holen?
  • «Was würdest du in so einer Situation machen?»
Situationen und Hörtexte
Die folgende Ausschnitte des Wimmelbilds beschreiben, welche Geschichte sich hinter einzelnen Situationen verbirgt. In den ersten zwei Ausschnitten spielen Kinder unbeschwert miteinander, die nachfolgenden enthalten ein für die Kinder mehr oder weniger belastendes Geheimnis.
Seilspringende Mädchen
Loretta und Franziska versuchen, immer genau gleichzeitig zu springen. Dabei müssen sie immer kichern.
 
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Ballspielende Kinder
Natalie und Severin werfen sich einen blauen Schaumgummiball zu. Natalie ist im Sportunterricht sehr gut im Bällewerfen, denn sie kann mit dem Ball sehr genau zielen. Deshalb ist sie in fast jeder Pause dabei, das Ballwerfen mit ihren Freundinnen und Freunden weiter zu üben.
 
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Treppengetuschel (Verliebtsein)
Das sind Silvio und Milena. Sie haben es sich auf der Treppe gemütlich gemacht, wo sie in fast jeder Pause sitzen. Silvio kennt Milena schon seit sie ganz klein sind. Die beiden schauen hinüber zu den zwei Mädchen, die Seilspringen üben. Loretta ist das Mädchen mit den dunklen Haaren. Silvio schwärmt: «Loretta kann am besten seilspringen. Niemand kann das so gut wie sie!»
Da fragt Milena Silvio: «Du hast Loretta wohl seeehr gern, hmm?» und schmunzelt ein bisschen. Silvio wird rot und nickt ganz leicht. Denn es stimmt, was sie sagt. Hoffentlich erzählt sie das niemandem weiter. Denn er weiss selbst nicht, ob er jemandem davon erzählen möchte. Nur Milena weiss jetzt, dass er Loretta wirklich sehr mag.
 
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In die Hose (Peinlich)
Da steht Adrian und alle schauen ihn an. Oh nein, ist ihm das unangenehm. Er hat sich in die Hose gemacht. Nur ein bisschen, aber die Mädchen Anna, Rina und Maria haben es sofort gemerkt und gucken ihn an. Rina steht in der Mitte und  lacht ihn aus und zeigt auch noch auf ihn, so dass es alle sehen können. Sie ruft: «Das müssen wir unbedingt den anderen in der Klasse erzählen, das ist so lustig, Adrian macht noch in die Hose!»
Da kommt Philipp dazu – der Junge mit dem blauen T-Shirt. Philipp ist Adrians bester Freund und er weiss schon, dass das Adrian manchmal passiert. Er findet das auch gar nicht schlimm. Philipp steht nun daneben und weiss gar nicht, was er machen soll.
 
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Trennung der Eltern (Familienstreit)
Da steht Aline, das Mädchen mit der geringelten Hose. Aline weint, denn sie ist so traurig. Zum Glück sind Daniel und Mariana bei ihr und trösten sie. Aline verrät den beiden, dass sie gar nicht mehr in die Schule will. Denn Papa hat gesagt, er zieht bald von zu Hause aus. Dann ist Aline ganz allein mit Mama. Mama und Papa reden kaum noch miteinander und manchmal hört Aline sie streiten. Es ist gar nicht mehr schön zu Hause. Und Mama ist immer so ernst. Sie ist auch viel strenger geworden und schimpft öfter als vorher. 
Aline hat nur Daniel und Mariana davon erzählt, dass Papa ausziehen wird und sie grosse Angst hat, ihn nur noch ganz selten zu sehen. Das macht sie traurig und sie muss oft weinen.
 
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Auf der Bank (Häusliche Gewalt) + Ausweichtext
Da sitzt Julian auf der Bank. Ganz alleine. Und er schaut auf den Boden. Ihm tun die Schulter und der Arm so weh. Der Arm ist ganz rot. Das soll aber niemand sehen. Deshalb hat seine Mutter einen Verband darüber gebunden. Sie hat gesagt: «Das erzählst du niemandem, hörst du?! Das geht niemanden etwas an.» Das sagt sie jedes Mal. Bisher hat er auch noch nie mit anderen darüber gesprochen.
Sein Papa hat ihn gestern ganz fest geschlagen, so dass er einen grossen blauen Fleck an der Schulter hat. Und ausserdem hat sein Vater ihn so kräftig geschubst, dass Julian hingefallen ist und sich noch mehr wehgetan hat.  Damit niemand etwas merkt, zieht Julian immer Kleider an, die lange Ärmel haben.
Jetzt sieht Bene Julian auf der Bank sitzen und läuft auf ihn zu. Bene weiss nicht, was Julian passiert ist. Ihm tut Julian irgendwie leid, weil der immer so still ist, und er denkt sich: «Eigentlich würde ich Julian gerne fragen, was los ist, und warum er immer so dick angezogen ist, auch bei so sonnigem Wetter wie heute!» Er findet ausserdem, dass Julian fast immer traurig ist.
 
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Ausweichtext

Julian ist ganz schrecklich traurig. Seine Lehrerin hat vorhin geschimpft. Er hatte ein bisschen Unsinn angestellt, aber fast aus Versehen, er wollte gar nichts kaputt machen und hat es überhaupt nicht bös gemeint und nun denkt er, dass sie ihn gar nicht mehr mag. Dabei hat er seine Lehrerin doch so gern! 
Jetzt kommt Bene in die Nähe der Bank. Ihm tut Julian irgendwie leid, weil der auf einmal so still ist, und er denkt sich: «Eigentlich würde ich Julian gerne fragen, was überhaupt los ist!»
 
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Krankes Elternteil (Sucht, Psychische Krankheit ...) + Ausweichtext
Da steht Mirja in der Nähe des Zauns. Eben hat sie noch mit den anderen beiden Mädchen ein lustiges Klatschspiel gespielt und sie haben Spass miteinander gehabt. Aber jetzt weiss sie nicht, was sie machen soll. Ihre Mutter steht am Zaun und ruft nach ihr. Aber sie ruft schon wieder so komisch. Am liebsten hätte Mirja, dass ihre Mutter ganz schnell wieder nach Hause geht und die anderen Kinder sie so nicht sehen.
Mirjas Mutter hat eine Krankheit, die man nicht richtig sehen kann. Mirjas Mutter ist oft traurig und spricht manchmal so komisch. Da versteht Mirja gar nicht, was sie meint. Mirja mag darüber aber nicht reden, denn sie weiss, die Mütter der anderen sind anders.
 
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Ausweichtext

Da steht Mirja in der Nähe des Zauns. Eben hat sie noch mit den anderen beiden Mädchen ein lustiges Klatschspiel gespielt und sie haben es gut gehabt miteinander. 
Aber jetzt weiss sie nicht, was sie machen soll. Ihre Mutter ist an den Zaun gekommen und ruft nach ihr. Die Mutter hat eine Mütze dabei. «Wozu?», ärgert sich Mirjam,«ich habe meine Mütze doch mitgenommen. Ich bin doch schon gross genug!»
Ihre Mama tut nur immer so, als sei sie noch so klein. Auch die Lehrerin hat schon gesagt, Mirja solle nicht immer von ihrer Mutter zur Schule gebracht werden, sie könne schon längst alleine gehen.
 
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Zum Abschluss der Einheit ist es wichtig, eine Sequenz zu planen, die dicht am eigenen Alltag der Kinder ist. Der Fokus liegt darauf, dass jedes Kind für sich überlegt, wen aus seinem Umfeld es bei Bedarf um Hilfe fragen könnte.
Die Erkenntnis, wer ihnen als Vertrauensperson/en zur Verfügung steht, sollten die Kinder in Einzelarbeit auf ein schönes Blatt Papier schreiben oder malen und das Bild um den Namen schön gestalten, so dass ein kleiner «Schatz zur Erinnerung» entsteht, den sie mitnehmen können.
Zum pädagogischen Hintergrund der Ausweichtexte
Das Wimmelbild enthält sieben Situationen. Bei zwei davon gibt es jeweils Alternativgeschichten. 
Dies sind: 
  • Szene auf der Bank 
  • Mutter am Pausenhofzaun
Der Grund dafür: Die Szenen thematisieren dramatische Erlebnisse aus Kindersicht. Szene 1 thematisiert häusliche Gewalt, Szene 2 die psychische Erkrankung eines Elternteils bzw. Suchtprobleme. In der Alternativversion sind die Fragestellungen nicht so dramatisch, sondern sprechen «leichtere» Konflikte an.
Die Lehrperson soll hier entscheiden, welche Szene sie mit den Kindern wann thematisieren will. Dies kann je nach persönlicher Situation einzelner Kinder notwendig sein. An sich ist es wünschenswert, dass die dramatischeren Versionen benutzt werden. Aber die Lehrperson muss entscheiden, in welchem didaktischen Setting und mit welchen Kindern sie die Themen wie anspricht.
Die Lehrperson entscheidet auch, ob sie einzelne Situationen besonders ins Zentrum des Gesprächs nimmt oder ob sie das Gemeinsame aller Szenen – den unterschiedlichen Umgang mit Geheimnissen/Privatsphäre – mit den Kindern besprechen möchte.
Durch die «leichter verdaulichen Ausweichtexte» bleibt das ganze Bild betrachtbar, ohne dass die Gruppe eine der dramatischen Szenen zu schnell behandeln müsste. 
So kann es z.B. auch sinnvoll sein …
  • nicht alle Situationen hintereinander zu besprechen, sondern auf einzelne zu fokussieren oder sich das Bild über einen längeren Zeitraum zu erschliessen. 
  • bei besonderer Betroffenheit eines Kindes ein anderes Setting für die Thematisierung der Problematik zu wählen.
Zu den Fragen an die Kinder
Hier gilt es zu beachten, dass es bei der Interpretation der Bilder keine richtigen oder falschen Antworten gibt. Die Bilder sollen Ideen der Kinder anregen, worum es bei dem Geheimnis gehen könnte. Die Kinder bringen ihre Interpretationen vor ihrem eigenen Erlebnishintergrund ein. Damit dies möglich ist, sind die Bilder bewusst deutungsoffen gestaltet. Wenn die Kinder eine andere Interpretation haben, als Sie dachten, oder es mehrere Interpretationen gibt, ist dies in Ordnung. Sie erfahren dadurch, was bei den Kindern aktuelle Themen und Geheimnisse wären, und können ihnen an ihrem Alltag orientiert helfen, mit dem Thema der Privatheit umzugehen.
Inhaltliche Vertiefung: Fokus auf datensensible Selbstdarstellung
Selbst erdachte Geheimnisse können Kindern Spass machen. Ihre Funktionen sind dabei sehr unterschiedlich, dies sollte man beim Gespräch mit den Kindern im Hinterkopf behalten. Geheimnisse können zur Bewältigung von Erlebnissen hilfreich sein und die Funktion der Emotionsregelung übernehmen. Manchmal werden sie nur deshalb kreiert, weil man sich damit als Geheimnisträgerin oder Geheimnisträger einer anderen Person besonders verbunden fühlen kann. In anderen Fällen werden Geheimnisse dazu genutzt, um sich von anderen abzugrenzen oder andere auszuschliessen. 
Geheimnisse können auch als belastend erlebt werden. Die gilt vor allem, wenn Erwachsene Kindern etwas anvertrauen, das diese überfordert. Leider gibt es Kinder, die schlimme Erlebnisse haben, zu deren Geheimhaltung sie gezwungen wurden (z.B. bei sexuellem Missbrauch, anderen Gewalterlebnissen oder Krankheiten eines Elternteils). Bitte seien Sie deshalb besonders sensibel bei der Gesprächsführung und nutzen Sie diese Einheit dazu, den Kindern zu helfen, einen Ausweg aus ihren belastenden Situationen zu finden. Suchen Sie mit ihnen konkrete Personen, bei denen sie sich Hilfe holen können. Wenn Sie sich in diesem Zusammenhang als vertrauensvolle Ansprechperson anbieten mögen, ist dies für Kinder besonders hilfreich.